Bettina Gelhard-Reeh



Bettina Gelhard-Reeh

 

Meine Bilder sind keinem Stil zuzuordnen. Ich lasse mich nicht durch Zeitströmungen in meinem individuellen Konzept beeinflussen. Der Zauber des Einfachen fasziniert mich. Ich möchte ein gutes Bild schaffen, in dem die Farbklänge von mir immer wieder neu erfunden werden, nicht mehr und nicht weniger. Die Wirkung sei dem Betrachter überlassen.

1956          Geboren in Wiesbaden
1975           Abitur in Wiesbaden
1975 - 79   Staatliche Zeichenakademie Hanau Gemmologisches Institut Idar-Oberstein,
                 Goldschmiedin und Gemmologin

1979 - 85    Goldschmiedin in Wiesbaden
1985 - 90   Freie künstlerische Tätigkeit in Santa Cruz, Kalifornien, USA
1990           Rückkehr nach Deutschland
Seit 1995    Mitglied der Gruppe 50

Arbeitsgebiete:
- Malerei (Öl), Zeichnungen (Kreide)
- Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.
- Öffentliche und private Ankäufe.

 

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Gedanken zu den neuen Gemälden von Bettina Gelhard-Reeh

Dr. Peter Lodermeyer

 

In der Bildern der Wiesbadener Malerin Bettina Gelhard-Reeh geht es um rein malerische Probleme, um das Kerngeschäft des Malens selbst: den Umgang mit Formen, Farben, kompositorischen Grundfragen. Diese Malerei hat keine Bekenntnisse zu machen und Theorien zu verkünden, wie das ja heute oft geschieht. Gelhard-Reehs Bilder wenden sich an Betrachter, die malerische Kultur als solche zu schätzen und zu würdigen wissen. Mit dieser selbstreflexiven Haltung einer Malerei um der Malerei willen ist ihre Arbeit unverkennbar in der Moderne verankert. Ihren Anspruch hat Gelhard-Reeh zuweilen auf die knappe Formel gebracht: „Ich will einfach gute Bilder malen.“ Wer sich mit Malerei auskennt, weiß, dass „einfach“ hier unbedingt in Anführungszeichen zu setzen ist. Gute Malerei ist alles andere als einfach, denn um verlässlich gelungene Bilder zu malen, braucht man viel Erfahrung, viel Geduld, Wissen und Handwerk, um nur einige Faktoren zu nennen. Nicht zufällig erreichen zahlreiche Maler und Malerinnen erst in vorgerücktem Alter das Stadium, in dem sie souverän über ihre künstlerischen Mittel verfügen können. 

 

Daher ist es sehr hilfreich, wenn man auf diesem langen und windungsreichen Weg hin zu „guten Bildern“ eine Wegweisung hat, eine Leitfigur, einen „Sparringspartner“. Für Bettina Gelhard-Reeh gab es diesen: den Maler Adolf Hölzel (1853-1934), einen der Pioniere der abstrakten Malerei in Deutschland. Hölzel gehört vielleicht nicht zu den prominentesten Malern der Moderne – in Wiesbaden wäre Alexej von Jawlenski gewiss die näher liegende Wahl gewesen –, doch für Gelhard-Reeh war gerade seine Malereiauffassung enorm wichtig. Auf ihn gestoßen wurde sie von Christa Moering, dieser für die Wiesbadener Kunstszene gar nicht hoch genug einzuschätzenden Malerin, Lehrerin und Mentorin. Es zeugt von Moerings guter Intuition, zu sehen, dass Hölzels besondere Art, seine Bilder zu bauen, Formen ineinander zu verfugen, Farben aufeinander abzustimmen, genau das war, was der jüngeren Kollegin bei der Suche nach ihrem eigenen Stil weiterhelfen konnte. Und so hat Bettina Gelhard-Reeh über Jahre das Werk und die theoretischen Ausführungen Hölzels genau studiert und sich ebenso mit dem Hölzel-Kreis, insbesondere mit der Farbtheorie von dessen wohl bedeutendstem Schüler, Johannes Itten, auseinandergesetzt. Damit haben ihre Bilder tiefe Wurzeln in der Malerei der Klassischen Moderne ausgebildet. 

 

So wichtig es war, sich an Hölzel und seinen Nachfolgern zu orientieren, um eine Haltung in der Malerei zu gewinnen – noch viel wichtiger aber ist es, sich davon Schritt für Schritt auch wieder loszumachen. So hat sich Gelhard-Reeh in den letzten Jahren einen malerischen Freiraum geschaffen, indem sie all die Gesetzmäßigkeiten des Umgangs mit Form und Farbe, die sie sich erarbeitet hatte, auch wieder infrage stellen, relativieren und gegebenenfalls durchbrechen konnte. Einen enorm wichtigen Schritt unternahm sie 2020, als sie sich dazu entschied, die Fixierung ihrer Gemälde auf das Stilllebenmotiv aufzugeben und ungegenständlich zu werden. Die frühere Beschränkung auf Stillleben beziehungsweise Interieurs mit Stilllebenmotiven war zweifellos eine gute Option gewesen, die Malerei auf den internen, geschützten Raum des Vertrauten und Greifbaren zu fokussieren. Wer sich ältere Arbeiten der Malerin anschaut, wird schnell begreifen, dass es darin ja keineswegs um das Aussehen von Kannen, Vasen oder Obstschalen ging. Aber wenn diese Motive ohnehin nur Vehikel für sinnvolle kompositorische Anordnungen von Farbe und Form gewesen sind, ist ihre Gegenstandsbedeutung letztendlich auch entbehrlich. Und so hat sich mit der Suspendierung des Gegenständlichen ein weiterer Schritt für Gelhard-Reeh ergeben. Einen besonderen Reiz und feinsinnigen Humor entfalten ihre neueren Arbeiten dadurch, dass sie gelegentlich noch mit dem Stilllebenmotiv kokettieren. Man findet darin etwa runde Formen, aus denen einmal Äpfel und Pfirsiche hätte werden, oder eckige Gebilde, die als Tischfläche hätten dienen können. Gerade mit der bloßen Andeutung potenzieller Gegenständlichkeit wird der bewusste Verzicht auf deren Aktualisierung sinnlich erfahrbar.

 

Im Nahblick auf diese Gemälde zeigt sich, dass es in Gelhard-Reehs Malerei kaum eine Form, kaum eine Farbe gibt, die einfach mit sich selbst identisch wäre. Sie sind wesensmäßig prozessual, jede Form-, jede Farbfindung ergibt sich aus der Überlagerung mit oder Modifikation von anderen Formen und Farben. Die Bilder entstehen ohne Vorskizzen, ohne Pläne und Entwürfe in einem intuitiven Prozess der permanenten Bearbeitung der Bildfläche. Mit jeder neuen Setzung an einer Stelle verändert sich das Gesamtbild und muss entsprechend im nächsten Schritt modifiziert werden, und so weiter. Das Ziel ist es, am Ende, trotz aller Mühsal und Plage der malerischen Auseinandersetzung, zu einem Ergebnis zu kommen, das so selbstverständlich, so lässig und klar vor Augen steht, als hätte es gar keine andere Lösung geben können. Die Malerin sagte einmal, dass sie ihrer Bilder „mit einer Leichtigkeit“ ausstatten wolle, „was nicht heißt, dass sie leicht sind.“ Für diese Haltung, das Schwere leicht erscheinen zu lassen, gibt es einen alten Terminus aus der italienischen Kulturgeschichte. Wenn man das Ideal der Malerei von Bettina Gelhard-Reeh mit einem Wort benennen wollte, dann wäre es wohl dies: sprezzatura